Am dritten Reisetag, schon längst auf offenem Meer, schlug Fausto gelangweilt italienische Tageszeitungen und ein paar Illustrierte auf, die er in New York gekauft hat. Ein Schock: Sie brachten Bilder von meinem Haus in Marino, dem genau beschriebenen, nun nicht mehr geheimen Aufenthaltsort des gefährlichen Umstürzlers, des deutschen Volksfeinds Nr. 1. Wir auf dem Schiff: in Panik. Man konnte von hoher See aus nicht mit Italien telefonieren. Als wir dann endlich in Rom ankamen, Fausto und ich, war der größte Rummel bereits vorbei, den übrigens deutsche Journalisten ausgelöst hatten: Irgendein Mistvieh muß ihnen den Aufenthalt des Patienten verraten haben. Die Fernsehteams, Helikopter und Teleobjektive waren nach achttägiger Belagerung wieder abgezogen worden. Rudi stand an der Stazione Termini in Begleitung eines diskret im Hintergrund wartenden Kontingents von etwa einem Dutzend Carabinieri, die uns nun nach Marino begleiten, uns beschatten und mein Haus allseitig umstellt halten würden, Tag und Nacht, für Wochen, Monate. Sie hatten sogar einen direkten Telefondraht zum Innenministerium. Außerhalb des Hauses wurden wir auf Schritt und Tritt begleitet. Die Carabinieri gingen netterweise auch schon mal Zigaretten kaufen oder Briefe besorgen für meinen Autogramme spendenden Gast, sie waren freundlich und empfanden so etwas wie Verehrung für Rudi Il Rosso.
Die Leprara war Rudis Hauptquartier geworden, Gäste kamen und gingen in großer Zahl, wichtige Besucher oder solche, die sich wichtigtaten, jedenfalls immer mindestens doppelt so viele wie ihm zuträglich. Die italienische Linke, besonders die links von der PCI stehende, stellte sich ein, ich übersetzte bei den Gesprächen, hörte zu und versuchte, mir auf diese Weise ein Bild zu machen von der mir immer komplexer vorkommenden Welt, den Widersprüchen, Niederlagen und Unvereinbarkeiten der politischen Kämpfe. Der Vietnamkrieg war noch längst nicht beendet, und am 21. August, wir hatten es schon auf der Cristofero Colombo gehört, besetzten Truppen des Warschauer Pakts die CSSR und verursachten damit ein großes moralisches und politisches Desaster. Es trennte die Menschen und ihre Meinungen, verminderte die Sympathien der westlichen Linken für die Herrschaftsverhältnisse in den Ostblockländern und die dort praktizierte Art und Weise, mit dem Begriff des Sozialismus umzugehen. Und Fidel Castros mit Spannung erwartete Stellungnahme zu Prag enttäuschte: Es war ein Problem, den sonst so unerschütterlichen Fidel der Supermacht gegenüber kompromissbereit zu sehen. Dass die Gründe auf der Hand lagen, machte es überhaupt nicht einfacher.