Denn es hatte heftig gekracht zwischen Henze und seiner Heimat. Schon in den 1950ern war er nach Italien gezogen, enttäuscht vom konservativen Klima der BRD, von der Dominanz der Serialisten. 1968 dann der Eklat. Als in Hamburg Henzes Oratorium »Das Floß der Medusa« uraufgeführt werden soll, hissen linke Studenten im Saal ein Che-Guevara-Banner. Musiker weigern sich daraufhin, unter dem Banner aufzutreten, die Polizei räumte mit Knüppeln den Saal. Henze nimmt demonstrativ einen Lehrauftrag in Havanna an, schreibt auf Kuba seine sechste Sinfonie. In Deutschland machen die Veranstalter Jahre einen Bogen um seine Werke. Auch musikalisch war es ein Bruch. In seiner Sechsten löst Henze den Orchesterapparat von innen her auf, behandelt jeden Musiker als Solisten, verwickelt zudem zwei Orchester in ein Wechselspiel. Die Musiker brachte er so an ihre Grenzen; Henze sei sich klar geworden dass es in diese Richtung nicht weiterging, so Kerstan.
So ist Henzes Hölderlin-Symphonie eine doppelte Versöhnung. Einerseits mit Deutschland, wo vor allem sein politisch engagiertes Musiktheater seit den 70ern doch auf Resonanz stieß – Stuttgart war da ganz vorne dran. Es waren schließlich keine Geringeren als die Berliner Philharmoniker, die eine Sinfonie bei ihm bestellten. »Und einen Auftrag der Philharmoniker schlägt man nicht aus«, sagt Kerstan lachend.
Andererseits war es auch eine Versöhnung mit der traditionellen Form der Sinfonie und mit dem herkömmlichen Orchesterapparat. Die Siebte gilt als diejenige Henzes, die der klassischen Sinfonieform am nächsten kommt. Sie hat die typischen vier Sätze, der zweite Satz ist langsam, der dritte eine Art Scherzo.
Es ist allerdings eine Versöhnung nicht ohne Schmerzen. Allen Sätzen liegt Kerstan zufolge eine Zwölftonreihe zugrunde, die allerdings, wie oft bei Henze, nicht offen hörbar wird. Auch wenn der erste Satz auf die barocke Tanzform einer »Allemande« anspielt, ist der Grundton ernst, im dritten Satz über Hölderlins Leiden aufgewühlt und insgesamt sehr tiefgründig. Seine Leichte, seine Sommernachtssinfonie sollte erst die Achte werden.?(GEA)